Es wäre der Traum eines jeden Arbeitnehmers: Lange Reisen, zeitlich weit über den normalen Urlaubsumfang hinaus unternehmen und gleichzeitig für den Arbeitgeber in der Heimatstadt arbeiten. Ein solches Modell würde eine gute und sinnvolle Alternative zu einem Sabbatjahr oder die Möglichkeit einer verlängerten „Teilzeitauszeit“ bieten. Als fest Angestellter in einer Behörde oder einem privaten Unternehmen scheint dies unmöglich. Aber ist das wirklich so?
Ähnliche Modelle
An dieser Stelle könnte zunächst die Frage aufgeworfen werden, ob es in der heutigen Arbeitswelt ähnliche Modelle gibt. Die Antwort lautet ganz klar: Ja!
Arbeiten in den eigenen vier Wänden
Einerseits existieren mittlerweile mehrere gängige Varianten, die Arbeit am Lebensmittelpunkt, also in der Heimatstadt von zuhause aus zu erledigen. So bieten verschiedene Behörden, vor allem zur Steigerung der Vereinbarkeit von Familie und Beruf die Möglichkeit zu einer Arbeit im Homeoffice – mit all seinen Vor- und Nachteilen.
Zudem können Kreativschaffende in Festanstellung ebenfalls häufig ihre Arbeit zuhause erledigen. Diese Arbeitsmodelle bieten einerseits verschiedene Vor- und Nachteile, andererseits ist ihre individuelle Umsetzung stark abhängig vom jeweiligen Arbeitgeber.
Digitale Nomaden
Am ähnlichsten ist der Idee eines reisenden Festangestellten wohl das Arbeitsprinzip des sogenannten digitalen Nomaden. Dies sind Berufstätige, die eine selbstständige oder freiberufliche, häufig auch kreative Arbeit für verschiedene Auftraggeber verrichten und dabei die Welt bereisen.
Im Gegensatz zu dem theoretischen Modell einer Auslandsauszeit des Festangestellten ist diese Art des Arbeitens jedoch ein eher auf Dauer angelegtes Lebenskonzept. Durch den fehlenden festen Arbeitgeber ist die zeitliche und räumlich Bewegungsfreiheit eines digitalen Nomaden zudem ungleich größer.
Branchenspezifische Optionen
In Anlehnung an den digitalen Nomaden könnte man einen fest angestellten Arbeitnehmer, der auf Reisen für die Firma zuhause arbeitet, als „angestellten Nomaden“ bezeichnen. Unter welchen Bedingungen ist dies möglich? Hier gibt es nicht zu verachtende branchenspezifische Unterschiede.
Branchen mit guten Möglichkeiten
Ganz logisch betrachtet haben vor allem Angestellte in Branchen, in denen auch digitale Nomaden arbeiten, eine höhere Chance, bei ihren Vorgesetzten mit dem Vorschlag für ein solch neuartiges Arbeitsmodell auf Gehör zu stoßen. Hierzu gehören vor allem Kreativschaffende oder Menschen, die in und an der digitalen Welt arbeiten.
Aber auch andere Arbeitszweige bieten ähnliche Möglichkeiten. Das Schlagwort an dieser Stelle könnte lauten: Backoffice. Warum sollte zum Beispiel ein in der Verwaltung des Geldinstitutes beschäftigter Banker, dessen Aufgabengebiet in seinem Berufsalltag nur Arbeiten im Hintergrund ohne Kundenkontakt umfasst, diese Tätigkeiten nicht auch in Frankreich, den USA oder Brasilien verrichten können? Aufgrund einer Vielzahl an digitalen Kommunikationsmitteln stünden dieser Idee nur wenig Hindernisse im Weg.
Zudem bestehen oft für höhere Angestellte oder Vorgesetzte bessere Optionen. Sofern der Aufgabenbereich eines Vorgesetzten vor allem in der Kommunikation mit den Mitarbeitern oder der Organisation von Abläufen liegt, spricht wenig gegen eine Arbeit als „angestellter Nomade“.
Allerdings ist dabei zu beachten, dass vor allem die sozialen Komponenten im Berufsbild einer Führungskraft leiden könnten, also zum Beispiel eine Entfremdung von den Angestellten oder ein geringerer Überblick über die aktuelle zwischenmenschliche Situation entstehen kann. Das Ausmaß dieser Gefahr ist von Betrieb zu Betrieb unterschiedlich und muss individuell abgewogen werden.
Branchen mit geringeren Chancen
Doch nicht in allen Branchen existieren solche Freiheiten. So ist es zum Beispiel in Berufen, die einen direkten Kundenkontakt erfordern, nahezu undenkbar, auf Reisen zu arbeiten. Hierzu gehören unter anderem:
• medizinische und pflegende Berufe
• soziale Tätigkeiten
• Verkäufer
• gastronomische Berufe
Bei einem Arzt oder einer Krankenschwester liegt dies auf der Hand: Um die Patienten kompetent behandeln zu können, muss ein direkter Kontakt bestehen. Nicht umsonst lehnen nahezu alle Ärzte die Erstellung von Ferndiagnosen ab. Ähnliches gilt für Pfleger: Sie bieten eine Hilfe im Alltag des Pflegebedürftigen, diese ist auf Reisen unmöglich zu gestalten. Eine Ausnahme stellt für Mediziner die Arbeit in Organisationen wie zum Beispiel Ärzte ohne Grenzen dar.
Die einzige Option bieten handwerkliche oder technische Tätigkeiten, bei denen ein zu reparierendes Gerät, zum Beispiel ein Smartphone, eingeschickt wird. Allerdings würden der Aufwand und die Transportkosten den Ertrag sowohl für die Firma, als auch für den Angestellten um ein Vielfaches übersteigen. Es ist davon auszugehen, dass die wenigsten sozialversicherungspflichtig beschäftigten Handwerker daher in den Genuss eines Lebens als „angestellter Nomade“ kommen dürften.
Ob das Arbeitsmodell des reisenden Festangestellten möglich ist, hängt also stark vom Berufsfeld ab. In einigen Branchen ist es möglich, viele Tätigkeitsfelder machen diese Option jedoch leider unrealisierbar.
Individuelle Voraussetzungen
Zu den Gegebenheiten der verschiedenen Branchen kommen die individuellen Voraussetzungen der jeweiligen Person hinzu. Diese entscheidenden Aspekte sind an dieser Stelle sehr verschiedenartig und hängen von sozialen wie karrierebezogenen Faktoren ab.
Soziale Faktoren
So kann es auf dem Weg zu einer Auszeit als „angestellter Nomade“ durchaus hilfreich sein, unabhängig von der Position bereits länger bei einem Arbeitgeber beschäftigt zu sein. Die entscheidenden Vertreter des Unternehmens können auf einer solchen Basis genauer einschätzen, wie eigenständig und kompetent ein Arbeitnehmer seine Tätigkeiten verrichtet.
Hinzu kommen Aspekte des menschlichen Miteinanders. Ist der Arbeitnehmer gut in ein Unternehmen integriert und allseits beliebt, werden die Chancen auf ein reisendes Arbeiten steigen. Weiter erhöht wird die Wahrscheinlichkeit, wenn der Angestellte einen besonders guten Kontakt zu seinem Vorgesetzten oder anderen Entscheidungsträgern pflegt. Sind beide Faktoren nicht gegeben, ist eine arbeitende Auszeit im Ausland leider nahezu ausgeschlossen.
Stand der Karriere
Wie im Rahmen der Erörterung der Möglichkeiten in verschiedenen Berufsfeldern bereits angeklungen, spielt auch die aktuelle Stufe der Karriereleiter eine entscheidende Rolle. So kann ein sozialversicherungspflichtig Beschäftigter in einer höheren Position bei Verhandlungen oft schlagkräftigere und gewichtigere Argumente vorbringen, als ein Berufseinsteiger mit weniger Erfahrung. Er kann sich, ganz einfach gesprochen, mehr trauen, da er im Gefüge des Betriebes eine umfangreichere Macht innehat.
Zudem machen sich Vorgesetzte oder Mitarbeiter in einer Führungsebene allein durch den Charakter ihrer Tätigkeit für ein Unternehmen in höherem Maße unaustauschbar. Auch dadurch haben sie in Verhandlungen mit ihrem Arbeitgeber eine schlagkräftigere Position.
Die Joker
Neben dem Versuch, bei einem Vorgesetzten die sehr individuelle Idee eines Angestellten Nomaden durchzusetzen, gibt es auch noch gängigere Optionen. So existieren in der heutigen Arbeitswelt es vor allem zwei Möglichkeiten, die reisendes Arbeiten als Angestellter ermöglichen:
• Mitarbeiterentsendungen
• Geschäftsreisen
Mitarbeiterentsendung
Eine einfacher zu erreichende Form der lokalen Flexibilität ist die sogenannte Mitarbeiterentsendung. Bei diesem Modell sind neben der Machbarkeit eine ganze Reihe organisatorischer Faktoren zu bedenken.
Geeignet sind für eine solche Tätigkeit vor allem internationale Unternehmen mit Standorten in verschiedenen Ländern. Hierbei kann es hilfreich sein, sich durch die Beherrschung einer möglichst hohen Diversität an Fremdsprachen für eine Entsendung besonders zu empfehlen.
Geschäftsreisen
Wie der Begriff schon vermuten lässt, bieten auch Geschäftsreisen für Angestellte eine realistische Option, die Arbeit mit einem Trip in ein anderes Land zu verbinden. Vor allem in höheren Positionen, zum Beispiel bei international tätigen Banken oder Unternehmen mit einem Kundenstamm in verschiedenen Teilen der Welt, sind lange Dienstreisen besonders gut möglich.
Möchte man das Reisen mit einer Tätigkeit als Angestellter verbinden, macht es also Sinn, nach Firmen und Branchen zu suchen, in denen Mitarbeiterentsendungen oder Geschäftsreisen zum alltäglichen Betrieb gehören. Grundlage hierfür sind entweder internationale Dependancen oder ein Kundenstamm in verschiedenen Ländern.
Fazit
Grundsätzlich gilt: In einem fortgeschrittenen Stadium der Karriereleiter sind die Chancen auf eine „Teilzeitauszeit“ als „angestellter Nomade“ eher realistisch. Dies hängt natürlich sowohl von der Branche, als auch von den individuellen Gegebenheiten im Betrieb ab.
Möchte ein Arbeitnehmer weiter für den heimatlichen Betrieb tätig sein und dies mit dem Reisen verbinden, empfiehlt es sich, auch juristische Aspekte zu bedenken und sich vorher umfassend zu informieren. Abgesehen hiervon ebnet den Weg nur eines: Ein offenes und ehrliches Gespräch mit dem Vorgesetzten und eine wasserdichte Begründung des Anliegens. Gute Reise und frohes Schaffen!